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Wut ist eine menschliche Disziplin, Tiere haben andere Gefühle

Wer hat das noch nicht erlebt? Die Katze ignoriert jedes Rufen und Locken. Auf samtenen Pfoten entwischt sie in die Dunkelheit. Der Hund haut ab, reagiert weder auf Pfiffe noch auf Zuruf, wird immer kleiner und verschwindet am Horizont. Das Pferd widersetzt sich, geht partout nicht dahin, wo es soll, verweigert die Zusammenarbeit. Zuerst ist man überrascht, dann versucht man die Kontrolle zurückzubekommen. Schließlich macht sich Sorge breit – etwa, wenn der Hund Richtung Straße läuft – und schlussendlich kocht die Wut hoch.

Ich habe die Erfahrung gemacht, dass Wut eine zutiefst menschliche Kategorie ist. Tiere ticken anders. Sie sind vielleicht aggressiv, wenn sie ihre Herde, ihr Rudel oder ihre Beute verteidigen. Das lässt sich jedoch nicht mit jener „tierischen Wut“ gleichsetzen, die man von rasend zornigen Menschen kennt. Bei Auseinandersetzungen mit Tieren empfiehlt es sich darum immer, erst einmal tief durchzuatmen, runterzukommen und – wenn die Wut sehr groß ist – sich eine Auszeit zu nehmen. Statt Reiten könnte dies Longieren sein. Statt den Hund zu strafen könnte man ihn an eine (Schlepp-)Leine hängen. Nur gegen die Eigenwilligkeit einer Katze ist kein Kraut gewachsen. Das habe ich aufgegeben.

Meist sind es Instinkte, wenn Tiere die Zusammenarbeit mit dem Menschen verweigern. Selten auch körperliche Beschwerden. Letztere kann man beim Jungpferd dezitiert ausschließen. Zuletzt hat es deutlich zugelegt, war durchlässig und lerneifrig und hat wochenlang jene Stelle problemlos passiert, die es ohne erkennbaren Anlass plötzlich verweigert. Man könnte sich als Reiterin durchaus provoziert fühlen. Folglich ist mein Verständnis enden wollend. Leider schaffen es Pferde immer wieder, unsere besten Vorsätze zu torpedieren. Ärger war vorprogrammiert.

Katze, Hund und Pferd reagieren zwar auf unsere Gefühle, sie tun dies jedoch innerhalb ihrer eigenen Gefühlspalette. Und diese wurde durch Evolution und Auslese bereits vor (!) unserem ersten Zusammentreffen angelegt. Dass Tiere Emotionen haben, ist unbestritten und von der Wissenschaft hinlänglich bewiesen. Doch diese äußern sich eher als Wohlgefühl, Freude, Angst oder Unsicherheit. Auch spiegeln Tiere, und ganz besonders uns nahe Tiere, unsere Gefühle wider. Bei Gefühlsäußerungen wie Liebe oder Trauer scheiden sich selbst bei Experten die Geister: Einige Forscher vertreten die Meinung, diese Empfindungen seien zutiefst menschlicher Natur, andere vermuten sie durchaus auch im Tierreich.

Emotionen bei Tieren könnten laut Forschung sogar ein genetisch verankertes Merkmal sein, das einen Überlebensvorteil bot. Beispielsweise dann, wenn das Erinnerungsvermögen mit Emotionen verbunden ist. Ein Tier, das bedrohliche Zustände mit Angst assoziiert, hat gelernt rechtzeitig zu flüchten. Das sichert das Leben in der Wildnis und ist tief verwurzelt, auch in domestizierten Tieren.

Für unsere Haustiere ist die menschliche Wut jedenfalls nicht gut zuordenbar. Dementsprechend verschieden reagieren sie, je nach Wesen, Charakter und hierarchischem Status. Sicher ist, dass negative Gefühle des Menschen vom Tier besonders intensiv wahrgenommen werden. Eine interessante Studie* zu Emotionen bei Pferden wurde vor einem knappen Jahr von Wissenschaftern in Frankreich publiziert.

Für mich, die ich zwei charakterstarke Pferde, einen sehr angepassten Hund und eine eigenwillige Katze mein Eigen nenne, bedeutet dies einmal mehr, mir eine Lösung zu überlegen, die sich für das Tier – in oben erwähntem Fall für das Pferd – lohnt. Ich habe mich für einen sehr sachlichen Umgang mit dem Pferdekind entschieden, bin einen Tag nicht geritten und habe stattdessen sinnvolle Longearbeit gewählt, um den Emotionen keinen Platz zu lassen. Tags darauf hat lockeres Springtraining für fröhliche Stimmung gesorgt. Auch beim Hund, der – empathisch wie immer – jede meiner Gefühlslagen mitleidet oder sich mitfreut. Und selbst die Katze war besonders anschmiegsam, hat es sich schnurrend auf meinem Schoß bequem gemacht und auf ihre Abendrunde verzichtet.


*Die Studie „Horses Categorize Human Emotions Cross-Modally Based on Facial Expression and Non-Verbal Vocalizations“ der Wissenschafter Miléna Trösch, Florent Cuzol, Céline Parias, Ludovic Calandreau, Raymond Nowak und Léa Lansade ist hier nachzulesen.

Ein weiterer, schon etwas älterer, Beitrag zu tierischen Emotionen findet sich auf der Seite der Freien Universität Berlin. Er ist hier nachzulesen.

Foto: Die Katze kennt keine Wut, sie macht sowieso das, wonach ihr der Sinn steht.
© Timothy Meinberg on Unsplash

 

Schlagworte: Hund / Katze / Pferde / Stress / Verhalten

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