Pferde

Ein Spiegel auf der Rennbahn

Beim Reiten kommt es immer wieder zu unerwarteten Begegnungen. Gestern waren es ein Spiegel, ein Scooter und mehrere unkontrollierbare Tiere in der Luft und am Boden. Mit Vertrauen und einer guten Grundausbildung meistert man fast jede Situation. Inklusive zehn Tipps mit Mehrwert.

Gestern hatte ich etwas Zeitdruck. Vor lauter Schreiben bin  ich viel zu spät von zuhause weggekommen und abends hatte ich meinen Pferdefreundinnentermin. Meine Pferdefreundinnen sind in der Regel ja verständnisvoll, besonders wenn es ums Pferd geht. Trotzdem wollte ich nicht mehr als sonst zu spät kommen. Der Plan war, genug Bewegung mit wenig Zeitaufwand. So wurde der Pferdebub flott geputzt (wird eh nach dem Reiten abgeduscht), fest eingesprüht und diretissima zur Rennbahn geritten.

Das Wetter war schwül und der Hund wollte partout nicht im Stall warten. Wir mussten also im Schritt zu unserem Ziel reiten. Bis zur Bahn wird der Fliegenspray schon halten, dachte ich und habe die Attacken der Gelsen total unterschätzt. Denn mit dem Mittraben hat es unsere Labradordame nicht mehr so, das ist ihr einfach zu anstrengend. Nicht nur die stechenden Viecher waren außer Kontrolle, auch ein entgegenkommender Traber war es. Er wurde von einem Mädchen geritten, das völlig verzweifelt an den Zügeln zog, sich vielmals entschuldigte, weil es nicht durchparieren konnte, und vom Vater begleitet wurde, der mit seinem Scooter nicht ganz mithalten konnte. Dafür hat er die verlorenen Gamaschen des Trabers eingesammelt und umständlich an der Lenkstange montiert während wir tapfer gegen hohe Temperaturen und Mückenschwärme angeritten sind.

Das vertrauensvolle Pferdekind hat die Anlehnung dankbar akzeptiert und ist mit freundlichen Nickbewegungen vom Hals bis zum Kopf fleißig dahingeschritten. Wegen der lästigen Viecher sind wir dann immer wieder angetrabt, grad soviel, dass die Labradordame mithalten konnte. Am Eingang zur Rennbahn habe ich den Hund abgelegt. Der war ziemlich froh.

Weil wir die letzten Male so erfolgreich linksrum auf der Bahn geritten sind, habe ich diesmal die andere Richtung eingeschlagen. Man sagt ja, dass ein Pferdehirn Dinge, die es von links sieht und abspeichert, von rechts neu abspeichern muss. Ich habe dabei an die sehr imposanten Tribünen gedacht, die der Pferdejunge von der einen Hand nun schon ganz gut kennt, und die ich ihm nun von der anderen Seite zeigen wollte. So sind wir nun das erste Mal im Uhrzeigersinn auf die Rennbahn eingebogen.

Das Pferdekind ist suuuper dahingetrabt, eigentlich mehr geschwebt. Nach der ersten Biegung sind wir schön angaloppiert, ich wollte im kontrollierten Galopp an den Tribünen vorbeicantern und dann ein wenig Gas geben. Das hat nicht ganz funktioniert. Denn der Pferdebub hat die Notbremse gezogen, am Absatz kehrt gemacht und war ziemlich außer sich. Glücklicherweise hat er sich gut einfangen und durchparieren lassen. Nach ein wenig Theater (ohne abzuhauen) und dank meines festen Willens (und Sitzes) ging es dann doch weiter.

Der Grund für das Scheuen war: ein Spiegel!

Mannshoch steht auf Höhe der Rennbahntribünen ein Spiegel an der Innenseite der Bahn. Darin spiegelt sich das Licht, und wohl auch das Pferd. Angesichts dessen und der ziemlich grellen Sonne war das eindeutig furchterregend. Damit hatten wir nicht gerechnet. Kommt man von der anderen Hand, sieht man nur die Rückseite, die ganz unauffällig ist. „Kein Pferd kommt daran beim ersten Mal vorbei“, sagte mir später eine Reitkollegin. Was soll ich sagen? Wir schon! Wie gut, dass meine Pferde gut geritten sind. Wir sind im schönsten Schulterherein mit etwas mehr Abstellung als sonst aber ohne weitere Diskussion an der Gefahr vorbei. Auf Höhe des Spiegels hat Amos zwar den Hintern eingezogen und ist anpassagiert (Freude am Rande!), aber es war toll, wie vertrauensvoll er sich schließlich auf diese Situation eingelassen hat. Ich bin sehr stolz auf ihn.

Nach diesem Erlebnis sind wir noch zwei Runden schön getrabt und galoppiert. Beim Heimreiten war dennoch viel Spannung im Pferd. Ich habe den Herrn Amos also abgesattelt und abgezäumt und auf den Sandplatz gesteckt, damit er die aufgestaute Anspannung loswerden kann. Da ist die Post abgegangen – aber hallo! Es ist immer wieder beeindruckend zu sehen welche Kapriolen Pferde springen können. Und es ist wirklich höflich von ihnen, dass sie diese Luftsprünge ohne uns machen.

Natürlich bin ich zu spät zum Pferdefreundinnenabend gekommen, aber immerhin gab es etwas zu erzählen. Wofür der Spiegel auf der Rennbahn steht, das muss ich noch rausfinden.

10 Tipps, die in außergewöhnlichen Situationen helfen können

Beim Dressurreiten, Springreiten und Ausreiten – eine gute Grundausbildung gibt Pferd und Reiter genügend Sicherheit, um auch außergewöhnliche Situationen meisterlich zu bewältigen.

  • An den Zügel stellen: Besonders junge und unerfahrene Pferde fühlen sich oft sicherer, wenn wir Reiter sie mit den Schenkeln und Zügeln „einrahmen“ und zügig vorwärtsreiten.
  • Schauen lassen: Kann funktionieren, muss aber nicht. Neugierige, unerschrockene Pferde schauen sich die Dinge gerne an. Für ängstliche und unsichere Pferde kann ein hingegebener Zügel zu Verunsicherung führen. Sie fühlen sich „allein gelassen“.
  • Seitengänge wie Schulterherein oder Traversalen lenken das Pferd ab, die richtige (Ab-)Stellung sorgt dafür, dass es seinen Blick nicht auf die vermeintliche Gefahr fixiert.
  • Jedes Vorwärts ist okay, auch Stehenbleiben solange wir ein Rückwärtsgehen verhindern können.
  • Pferde, die seitwärts über die Schulter davon wollen, lassen sich über eine Konterstellung begrenzen.
  • Abwarten und ablenken. Im Stehen den Widerrist vor dem Sattel kräftig kraulen oder massieren regt das Pferd zum Entspannen an. Lässt sich beim Putzen und zwischendurch gut üben und sogar antrainieren. -> funktioniert auch beim…
  • Halten! Bei Ausritten immer wieder anhalten. Ruhiges und geduldiges Stehen kann Leben retten.
  • Auf Atmung, Blickrichtung und Ohrenspiel achten. Muskeltonus fühlen.
  • Mit allen Sinnen beim Pferd sein. Das bedeutet auch, das Handy nur im Notfall zu benutzen.
  • Loben, loben, loben!
Schlagworte: Bewegung / Pferde / Stress

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