Pferde

Alleinsein mit dem Pferd

Soweit das Auge reicht kein anderes Pferd in Sicht. Dabei sind Pferde bekanntermaßen Herdentiere und fühlen sich in Gesellschaft viel wohler als alleine.

Mein Pferdekind ist es gewohnt, ohne Artgenossen, dafür aber mit mir zu sein. Ob auf dem leeren Reitplatz, im einsamen Wald oder beim Transport – wir sind ganz oft auf uns gestellt. Das Alleinsein, in unserem Fall immerhin das gemeinsame Alleinsein, begleitete unseren Alltag von Anfang an. So war das mit dem knapp Dreijährigen, mit dem ich höchst ungern an der Hand spazieren gegangen bin, denn er war ein frecher Junghengst und gerne auf den Hinterbeinen. Das konnten wir mit herzhafter Erziehung und einer Kastration in die richtigen Bahnen lenken. Dennoch war ich schon damals viel zu oft alleine mit dem jungen Wilden – und das fühlt sich bestenfalls ziemlich einsam an, manchmal auch etwas ratlos.

Später, der Pferdebub war bereits angeritten und hat ein äußerst kooperatives Wesen an den Tag gelegt, war ich berufsbedingt oft spätabends im Stall. Und ich war wieder alleine. Bisweilen habe ich mich schon gefragt, ob bei uns im Stall nur Hausfrauen reiten (das ist ein nicht korrektes Vorurteil, ich weiß) oder Freischaffende und Künstler, die tagsüber soviel Zeit haben, weil sie in der Nacht kreativ sind (noch ein politisch nicht korrektes Vorurteil). Denn wenn ich in die Halle kam, war der letzte Reiter gerade hinaus gegangen. Ich hatte Glück, selbst wenn es im Winter draußen schon stockfinster war, hatte ich diesbezüglich nie ein Thema mit dem Jungpferd – es war immer vertrauensvoll und rittig. Nur einmal ist aus dem Musterschüler ein schnaubender Stier geworden, von dem ich ganz schnell abgesessen bin. Zuhause haben wir gemutmaßt, dass es die Fuchsmutter war, die regelmäßig zum Mäuse fangen beim Misthaufen vorbeigeschaut hat. Das war jedenfalls eine Erklärung.

Heutzutage bin ich immer noch ganz oft alleine unterwegs. Das liegt wahrscheinlich an den vielen Reiterinnen und Reitern, die das ganze Jahr über gerne in der Halle reiten und diese NICHT verlassen. Dafür haben sie allerlei Gründe. Waren es im Sommer die Insekten oder die Hitze, so ist es jetzt der Wind oder die Kälte. Jedenfalls kann der Reitboden kein Grund für die Halle sein, denn der hat draußen eindeutig die bessere Beschaffenheit und ist fast das ganze Jahr über perfekt zum Reiten. Ich bin also sehr oft sehr alleine draußen auf dem riesigen Platz, wo nur dann und wann ein Reiter zum Abgehen vorbei kommt. So schön das für den einen oder anderen auch sein mag, wir – mein Pferd und ich – fühlen uns einfach wohler, wenn wir nicht ganz alleine sind. Wir sind beide entspannter, das Pferdekind ist deutlich konzentrierter, und insgesamt sind wir zufriedener.

Je größer die Herde, umso wohler fühlen sich meine Pferde. Das war eigentlich bei all meinen Pferden so. Ich hatte nie einen dieser Einzelgänger, die es nicht leiden konnten, wenn jemand ihnen entgegen oder zu nahe kam. Meine Pferde waren und sind soziale Tiere, die im Verband einfach gelöster gehen. Fehlt ein Artgenosse, hilft übrigens auch ein Mensch, der unten steht – etwa ein Trainer, der unterrichtet, der Fotograf, der auf den richtigen Moment wartet, oder eine Vertrauensperson, die Feedback gibt. Wenn mir eine Freundin sagt, dass der kleine Luftsprung von vorhin ja ohnehin ganz lächerlich ist gegen das, was ich früher gesprungen bin, dann gibt das Selbstvertrauen. Und wenn der Fotograf fragt, ob mir nach einem Energieschub meines Pferdes denn das Adrenalin eingeschossen ist, würde ich das natürlich nicht zugeben, sondern ganz cool weiterreiten als wäre nichts gewesen. Selbst Spaziergänger haben schon anerkennend angemerkt, dass ich wohl ziemlich sattelfest sei. Ich habe ihnen dankbar zugelächelt und as Kompliment gerne angenommen.

Viel lieber ist mir natürlich ein konzentriertes Pferd, das seine Energie in die Lektionen auf der Erde steckt und nicht in solche über der Erde. Und das gelingt nun einmal dann besonders gut, wenn das Pferd seinesgleichen um sich spürt.

Ausreiten sollte man prinzipiell mit Begleitung. Ergibt sich doch einmal ein Ausritt allein, sollte man im Stall die geplante Route und die ungefähre Heimkehrzeit hinterlassen. Denn tatsächlich weiß man nie, welches Gespenst einem Pferd begegnet. Bevor ich aber den Winter in der Halle verbringe, gehe ich dann doch lieber das Risiko ein und treffe ein Gespenst. Vielleicht ist es ja ein nettes.

Schlagworte: Bewegung / Fitness / Pferde / Verhalten / Winter

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